Eiche
Kaum ein Baum ist so mit Bedeutung aufgeladen wie die Eiche: Sie ist Baum der Götter, Ort des Gerichts, Symbol ganzer Nationen. Die Eiche erscheint uns knorrig, trotzig, majestätisch, voller Kraft und Energie. Sie ist Sinnbild für Standfestigkeit und Stärke. Schon Hildegard von Bingen (12. Jahrhundert) befand, die Eiche sei hart und bitter, sie habe nichts Weiches, Mütterliches an sich. Seit alters her wurde die Eiche als männlich empfunden.
Ihre langen, schweren Pfahlwurzeln reichen bis tief hinab in die Erde und verankern den Stamm standfest und unverrückbar im Boden. Eichen lieben Wasseradern. Deshalb werden sie - wissenschaftlich nachweisbar -häufiger vom Blitz getroffen als andere Bäume. „Eichen sollst du weichen, Buchen sollst du suchen, wenn du Linden nicht kannst finden", rät daher der Volksmund. Eichen können bis zu 50 Meter hoch werden. Ist der Stamm zunächst glatt und glänzend, wird er später rau und furchig. Das Höhenwachstum ist mit hundert Jahren abgeschlossen, das Dickenwachstum hält an. Das Holz ist fest, dauerhaft und eisenhart und diente dem Bau von Häusern, Schiffen und Wasserrädern. Es hält Hunderte von Jahren und ist unter Wasser sogar unbegrenzt haltbar.
Von vielen Völkern verehrt
In allen Ländern, in denen die Eichen wuchsen, wurde der Baum zum „heiligen Baum" erklärt. Von Hethitern, Persern, Griechen und Römern sind Eichenkulte bekannt. Die Kelten, Goten und Germanen verehrten die Eiche als einen den Göttern geweihten Baum. Im Rauschen der Zweige meinten sie die Botschaften der Götter und ihren Willen zu erkennen. Unter mächtigen Eichen fällten die
Germanen Gerichtsurteile. Karl der Große und seine Vögte sprachen unter ihnen Todesurteile aus.
Stieleichen können über l 000 Jahre alt werden. Der älteste Laubbaum in Deutschland ist die Femeeiche bei Erle im Münsterland. Sie soll über 1500 Jahre alt sein. Doch nicht jeder war dem stattlichen Baum wohl gesonnen. Viele Eichen wurden von christlichen Missionaren gefällt. Im Jahr 723 fällte der Benediktinermönch Bonifatius eine heilige Eiche, um den Heiden zu demonstrieren, dass die Götter nicht in den mächtigen Bäumen wohnen. Trotz dieses legendären Aktes der Entzauberung blieb die Strahlkraft der Eichen erhalten. Bismarck spürte dies deutlich bei seinen Eichen im Sachsenwald. War er müde und erschöpft, umarmte er eine starke Eiche in der Gewissheit, dass die Eichenenergien ihn wieder auftanken.
Nahrung für Tier und Mensch
Und auch zahlreiche Tiere, darunter Schmetterlinge und Hirschkäfer, Vögel wie der Eichelhäher und auch Eichhörnchen leben von der Eiche und ihren Früchten. Doch nicht nur Wildtiere stärken sich an den Eicheln. Auch Hausschweine wurden früher zur Mast in die Eichenwälder getrieben, während die Blätter für Schafe und Ziegen ein gutes Stärkungsmittel abgaben. Litten Haustiere unter Durchfall, mischte man Eichelmehl unter das Futter.
Eicheln enthalten 35 Prozent Stärke, sechs Prozent Eiweiß, sieben Prozent Zucker, 15 Prozent fettes Öl sowie Wasser, Mineralstoffe und Vitamine. Vor der Einführung der Kartoffeln in der Mitte des 18. Jahrhunderts waren die Eicheln für die Menschen ein wichtiges Nahrungsmittel. Sie wurden in Salzwasser entbittert, getrocknet, geröstet und gemahlen, mit Getreidemehl vermischt und zu Brot verbacken. Man verknetete das Eichelmehl auch mit Honig und süßen Früchten und aß es roh. Nach den Weltkriegen dienten Eicheln als Kaffeeersatz. Die Eichenrinde enthält auch Tannin, einen Gerbstoff. Jahrhundertelang wurde daher Eichenrinde zum Gerben von Tierhäuten verwendet, und auch heute noch findet vor allem die Rinde in der Naturheilkunde auf vielfache Weise Verwendung.